Schnee und Geburtstag


Seit Montag (04.06.) lebe ich nun schon alleine im Haus meiner Gastfamilie und kümmere mich um alles. Um die kleine Babykatze und die große Katze, ich mache täglich Feuer im Ofen, der die einzige Wärmequelle des Hauses ist, ich gieße die Tomaten, die noch im Gewächshaus gedeihen und kümmere mich nicht zuletzt um mich selbst. Ich gehe einkaufen, koche für mich und räume wieder auf. Jeden Tag sitze ich am Ofen und wärme mich auf. Es ist nämlich richtig Winter geworden. Morgens liegt dicker Frost auf dem Boden und in den Bergen schneit es immer wieder. 

Samstag nahm mich Loana mit zu Claudia und Klaus. Wir feierten dort Klaus‘ Geburtstag nach und es war richtig nett. Wir aßen Kuchen und am Abend gab es Raclette. Wir Deutschen erklärten den Argentiniern, wie dieses Gericht funktionierte und schon bald hatten sie den Bogen raus. Sie waren absolut begeistert von diesem Essen und schwärmten die ganze Zeit von dem tollen Duft, der in der Luft lag. Ich fand es total schön und etwas belustigend. Argentinier sind wirklich Weltmeister im Schwärmen für eine Sache! 

Schon auf dem Weg zu Claudia begann der Regen zu Schnee zu werden. Als wir im Warmen saßen, flogen die Schneeflocken, vom Wind getrieben, durch das Tal und als wir uns verabschiedeten und ins Freie gingen, betraten wir eine Winterlandschaft. Es schneite immer noch und ganz langsam fuhren wir zurück nach Hause. Es war ein wunderbar netter Abend gewesen, den ich sehr genossen habe. Gleichzeitig war es auch schon ein erster Abschied. Schon diese Woche würde die ganze Familie von Claudia nach Deutschland fliegen und erst wiederkommen, wenn ich auf dem Weg nach Deutschland sein würde. 

Die Familie ist auf eine bestimmte Art für mich nie richtig greifbar gewesen. Klaus erzählte immer etwas aus seinem Leben - mal waren es Abenteuer, die er erlebt hat, dann Begegnungen oder Dinge, die er glaubt. Klaus ist ein wahnsinnig interessanter Mann - er scheint unglaublich viele Dinge erlebt zu haben, die für mich als Außenstehende schon fast unbegreiflich scheinen. Er ist mit Claudia zusammen 16 Jahre um die ganze Welt auf Motorrädern gefahren und hat Dinge erlebt, die man vielleicht aus Filmen, aber nicht aus dem echten Leben kennt. Auch Claudia scheint es geprägt zu haben. Ich wusste nie genau, an welcher Stelle ich wirklich bei ihr stehe. Sie hat mir viele Dinge aus ihrem Alltag erzählt, hat ganz nach deutscher Art mal über Dinge gemeckert, die ihr gerade nicht gepasst haben und hat mich immer nach meinem Wohlbefinden gefragt. Und trotzdem hatte ich nie das Gefühl, mich ihr mitteilen zu können. Es gab nie Gespräche, wo ich das Gefühl hatte, dass wir uns richtig aussprechen konnten. Irgendjemand kam immer dazwischen, der Claudia in dem Moment wichtiger war und das hat mich auf Dauer gestört, aber auch dazu gebracht, nur noch das Nötigste zu klären und meine Gedanken anderen Menschen mitzuteilen. Trotzdem hat sich Claudia immer um mich gekümmert und es war schön jemanden kennenzulernen, der in seinem Leben schon so wahnsinnig viel gesehen hat. 

Mit Mona und Anna, den beiden Töchtern von Claudia und Klaus, habe ich mich nie so richtig anfreunden können, zumal wir uns nicht oft gesehen haben, aber die Chemie auch nie so richtig gestimmt hat. 

Trotzdem habe ich auch diese Familie kennenlernen dürfen. Sie hat mir Momente geschenkt, die mich sehr an Deutschland erinnert haben und die mir gut getan haben. Ich konnte ihr Buch lesen, das sie geschrieben haben und so besser nachvollziehen, warum sie so sind, wie sie jetzt sind. Das Buch hat mir gezeigt, dass das, was sie erlebt haben einfach eine andere Nummer ist, als das, was ich in Argentinien erlebt habe. Aber ich habe auch gelernt, dass ich mich nicht mit ihnen vergleichen muss. 

Ich muss noch von einem kleinen Moment erzählen: Als ich nach Klaus‘ Geburtstag nach Hause kam, fiel ich todmüde und glücklich darüber, dass ich trotz dem Schneegestöber gut angekommen war, ins Bett und schaltete das Licht aus. Ich las noch etwas auf meinem Handy, als plötzlich draußen alle Lichter ausgingen. Es gab mal wieder einen Stromausfall. Plötzlich, und einer Eingebung folgend, stand ich auf und lief in ein anderes Zimmer, von dem man normalerweise die Lichter El Bolsóns sah und stellte fest, dass es wirklich stockdunkel war. Man sah absolut nichts, was ich in diesem Moment gar nicht gruselig fand, sondern im Gegenteil total cool... Ich genoss diese Ruhe, die diese tiefe Schwärze irgendwie ausstrahlte und schlief glücklich ein...

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