Gedanken der letzten Tage


Seit Ende April wohne ich nun schon in meiner jetzigen Gastfamilie, die ich euch im letzten Eintrag bereits vorgestellt habe. Damals war mir jedoch noch nicht bewusst, dass ich so lange hier wohnen werde. Um genau zu sein, werde ich bis zum 2. Juli hier wohnen - insgesamt also zweieinhalb Monate. Ihr glaubt nicht, wie sehr ich mich darüber freue, mal nicht nach zwei oder drei Wochen umziehen zu müssen. Ich konnte mein Glück am Anfang kaum fassen, doch ich nehme es nun einfach als eine Art Belohnung hin. Die nächsten Wochen werde ich hier alleine wohnen, da meine Gastmutter ihr Kind in Esquel zur Welt bringen wird. Ich freue mich auf die Zeit. Ich freue mich darauf endlich mal wieder mehr das kochen zu können, worauf ich Lust habe und dann zu essen, wenn ich Hunger habe und nicht bis spät in den Abend hinein zu warten, bis es Essen gibt. 

Die letzten Tage hat viel die Sonne geschienen, aber es war bitter kalt. 

Heute habe ich die Sonnenstrahlen bei einem Spaziergang am Fluss Quemquemtreu genossen und über vieles nachgedacht. Die letzten Tage sind mir wahnsinnig viele Gedanken gekommen. Einmal habe ich Abends im Bett einen kleinen Schreck bekommen, als ich feststellte, dass es bis zu den Ferien im Juli nur noch vier Wochen sind. 

Es sind zwar noch zweieinhalb Monate bis zu meiner Rückkehr, aber weil diese nur noch sechs Wochen Arbeit und eine Reise im Juli beinhalten, habe ich das Gefühl, dass diese Zeit sehr schnell vergehen wird. Es kommen noch zwei Feste in der Schule - ein Laternenumzug und das Fest des Lichts. Dazu dann mehr, wenn es so weit ist.

Wenn ich in El Bolsón bin, werde ich manchmal ein bisschen wehmütig. Ich habe die Orte fest in mein Herz geschlossen, an denen ich war.

Ich habe das Gefühl, dass ich hier nur sehr wenig Stress erlebe. Ich habe sehr viel Zeit für mich, um Dinge zu tun, für die ich in Deutschland zuletzt keine Zeit hatte. Vor allem musisch und künstlerisch kann ich mich austoben und bekomme wahnsinnig viel zurück. Die Rückkehr scheint gleichzeitig so nah und doch noch so weit entfernt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich es gar nicht erwarten kann, endlich wieder zurückzukommen. Manchmal ist es aber auch genau umgekehrt. Ich habe hier so viele Menschen kennen- und schätzen gelernt. Die Menschen sind super mitfühlend, hingebungsvoll und sehr lieb. 

Man gibt sich zur Begrüßung einen Kuss auf die rechte Wange und fragt stets: ”¿Cómo estas?“ (wie geht’s dir? - andere Begrüßungen, die aber so ziemlich das Gleiche bedeuten: ”¿Qué tal?“, "¿Cómo va?”). Man begrüßt jeden so, egal ob man ihn kennt oder nicht. 

Die Lehrer haben begonnen mein Zeugnis zu schreiben und die Kindergärtnerin Maria sagt jedesmal: „Ach Alva, das ist ja gar nicht mehr so lange... wir werden dich alle vermissen...“

Ich glaube, dass mir vor allem die Schule sehr ans Herz gewachsen ist. All die Kinder, die manchmal auf mich zugestürmt kommen und mich voller Freude umarmen, all die Eltern, die einen immer fragen, wie es einem geht und von sich erzählen oder fragen stellen und natürlich all die Lehrer, die alle eine Ausstrahlung haben, die ich absolut nur bewundern kann. Nur drei von ihnen haben ein Studium, die anderen haben sich alles über Seminare angeeignet. Man bemerkt kaum einen Unterschied. Die Schule existiert zwar schon seit 20 Jahren, doch sie ist immer noch im Aufbau. Ziel ist es, eine Oberstufe aufzubauen. Die Schule wächst, das spüre ich und auch die Lehrer werden immer erfahrener. Jede Lehrerkonferenz scheint ein Lernprozess zu sein. 

Es schwebt in meiner Stimmung ein Hauch von Melancholie mit, weil ich spüre, dass sich ein einzigartiges Jahr dem Ende neigt. Die Natur sieht wieder so aus, wie ich sie zum ersten Mal vor knapp 10 Monaten kennengelernt habe. Die Bäume sind kahl und es liegt Schnee in den Bergen. Die Menschen tragen Winterjacken, Mützen und dicke Schuhe. Ich sehe, wie sich das Jahr langsam zu schließen beginnt. 

Aber noch habe ich die Zeit, all die kommenden Momente zu genießen, den Norden Argentiniens zu erkunden und langsam alles am Ende loszulassen. Ich freue mich sehr auf die letzte Zeit und ich freue mich auf das, was mich in Deutschland erwartet. 

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