Am 23. April zog ich in die Familie von Vito. Vito ist drei Jahre alt und geht in den Kindergarten. Die ganze Familie holte mich an diesem Montag von der Schule ab und fuhr zu ihrem Haus. Die Mutter Adriana zeigte mir mein eigenes Zimmer und das ganze Haus. Ich war wirklich beeindruckt, denn ich hatte sogar ein eigenes Badezimmer. Das war absoluter Luxus. Das Haus selbst war riesig und mit Liebe zu Details gestaltet. Pablo, der Vater, Pedro, der kleine Bruder und Vito mit seiner Mutter waren erst im August 2017 hier eingezogen. Die große Tochter von Papa Pablo wohnt hier ab und zu. Sie spielt wunderbar mit den Kindern.
Adriana ist hochschwanger und ab und an sagt sie uns allen Bescheid, wenn man Kindsbewegungen von außen sehen kann. Dann beobachten wir alle diese besonderen Momente und freuen uns über das Wunder, das bald geboren werden soll. Dante soll das Kind heißen.
Pedro (knapp zwei Jahre alt) lernt gerade das Sprechen. Es macht richtig Spaß dabei zuzusehen, wie er fast täglich neue Wörter lernt. Manchmal geht Mama Adriana mit ihm durchs Haus und sagt ihm die Worte für die Gegenstände. Vito nennt er immer Toto und das ist so süß, wenn er das sagt.
Die Familie ist sehr herzlich und im Prinzip gibt es hier alles, was das Herz begehrt. Ich fühle mich hier super wohl, vor allem auch deswegen, weil das Haus zwischen der Schule und El Bolsón liegt und damit perfekt erreichbar ist.
Nun zur Lehrerkonferenz:
Eines im Voraus: Jede Konferenz hat es hier verdammt in sich. Sie ist für viele Lehrer sehr emotional, es gibt kaum eine Konferenz wo keine Tränen vergossen werden, sei es vor Wut, Freude oder Trauer. Für mich ist das beeindruckend. Jedoch ist meine Aufgabe hier eher dem Gesprochenen so gut wie nur irgend möglich zu folgen und zu verstehen, wie es sozusagen „hinter den Kulissen“ zugeht. Ich nehme sehr viel mit von den langen Gesprächen und bekomme einen guten Eindruck in die Pädagogik aus Sicht der Lehrer.
Bevor die Konferenz beginnt, essen wir alle zusammen ein köstliches Mittagessen. Jeder bringt mal etwas mit, das dann geteilt wird. In diesem Rahmen wird sich über alles Mögliche ausgetauscht und Anekdoten aus dem Schulalltag werden erzählt. Es geht meistens sehr lustig zu, bevor es dann etwas ernster wird.
Rudolf Steiner wird hier sehr ernst genommen, so beginnt jede Konferenz mit dem Spruch: „Para esta era de Micael“.
Zuvor wird jedoch in absoluter Stille eine Kerze angezündet, bevor der Spruch vorgelesen wird. Anschließend herrscht noch für einen Moment die andächtige Stille, bevor die Konferenz beginnt.
Das erste Thema ist die sogenannte Observation eines Kindes. Eine Klassenlehrerin sucht sich ein Kind ihrer Klasse aus und versucht dieses über vier Wochen etwas zu beobachten. Drei Lehrerkonferenzen wird dann im ersten Teil der Konferenz über dieses Kind auf ganz bestimmte Art alles mitgeteilt, was in der Zeit von jenem Lehrer beobachtet wurde.
Im ersten Teil werden weiße Blätter an alle Anwesenden verteilt und jeder sucht sich eine Farbe aus, mit der er nun nach der Schilderung des Observierenden das Kind zeichnet. Zuerst wird der Name, das Geburtsdatum und der Wochentag, an dem das Kind geboren wurde, aufgeschrieben. Die Zeichnung beginnt beim Kopf und geht Stück für Stück hinunter zu den Füßen.
Der zweite und dritte Teil beschäftigen sich mit den Temperamente(n) des Kindes und tiefergehenden Eigenschaften. Hier können auch andere Lehrer etwas dazu sagen und gegebenenfalls werden über bestimmte Schwierigkeiten und Hintergründe des Kindes Dinge ausgetauscht. So bekommt jeder ein gut verständliches Bild des Kindes und dem Verhalten desselben.
Anschließend wird in einer Geschichte weitergelesen, die von Rudolf Steiner geschrieben wurde oder die in irgendeiner Weise etwas mit der Philosophie von Waldorf zu tun hat.
Bis um 16:00 Uhr wird ein bestimmtes aktuelles Thema durchgesprochen, zum Beispiel ein bevorstehendes und deshalb zu organisierendes Fest.
In der Pause gibt es dann eine deutsche Köstlichkeit von mir, die ich Tags zuvor immer backe.
Bis um 18:00 Uhr werden dann alle weiteren Themen besprochen, die gerade anstehen. Beispielsweise können das die Finanzen, Anliegen, Feiertage, Vorhaben, pädagogische Seminare etc. sein.
Ich hoffe ihr habt einen kleinen Überblick bekommen. Wenn noch Fragen offen sein sollten, schreibt mir gerne! Ich freue mich über jeden Kontakt, der mich aus Deutschland erreicht.
Wunderschöne Feiertage euch allen!
Eure Alva
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Maria (Dienstag, 22 Mai 2018 02:50)
Liebe Alva, jetzt bin ich endlich wieder auf dem Laufenden. Die Vorbereitungen für die Chile-Reise, die Reise selbst und Krankheiten vor und nach der Reise haben mich etwas aus der Bahn geworfen, aber jetzt gehts mir wieder gut. Chile war richtig toll und wir haben uns vorgenommen, das nächste Mal nicht so blöd zu planen (wir waren nur 2 Wochen da), sondern 4 Wochen zu fahren.
Aber nun zu Dir. Meine Güte, Du hast ja soviel erlebt, wie man eigentlich normalerweise in 10 Jahren erlebt. Echt toll. Du gehts ja wirklich durch emotionale Höhen und Tiefen, die man in so geballter Form, glaube ich, nur verkraftet, wenn man so jung ist wie Du. Aber sehr schön, dass Du die Möglichkeit dazu hast. Das freut mich wirklich sehr.
Ich hoffe, dass es Dir weiterhin so gut geht und dass Du wohlbehalten wieder in Hamburg ankommst, wo Du natürlich alles noch einmal erzählen musst (dafür brauchen wir dann wohl mindestens einen Monat ;-).
Die Sache mit den Jahreszeiten kann ich gut verstehen. Als Du schriebst, dass Du Dich mit Deiner Freundin im Herbst treffen wirst, dachte ich: "Hä, dann ist Alva doch schon längst wieder in Deutschland!" Aber Du meintest natürlich den argentinischen Herbst. Und als ich in Chile war, war mir auch nicht klar: "Bin ich jetzt im Frühling? Oder im Herbst?" Zumal das Wetter in Chile ungefähr so war wie bei uns im Frühling, obwohl es dort gen Herbst ging. Sehr verwirrend!
Aber - trotzdem - Du hast eine tolle Zeit und darüber freue ich mich.
Einen ganz dicken Gruß aus St. Pauli und bis zur nächsten Unterhaltung!!!!
Maria