Zweifel und der erste Umzug

Vor einer Woche saß ich bei meiner Gastfamilie oben im Zimmer und war etwas verzweifelt. Ich hatte heftigen Schnupfen und ich bemerkte, dass meine Mandeln sich entzündet hatten. Die Aussicht darauf vielleicht zum Arzt gehen und dann den ganzen Papierkram erledigen zu müssen, war an diesem und darauffolgenden Tag einfach nur niederschmetternd. Ich bemerkte, wie ich zum ersten Mal einfach keine Lust mehr hatte und mich fragte, wozu ich in dieser Schule überhaupt gebraucht werde. Ich gelangte in einen Gedankenzug der mich mitriss. Immer wieder sagte ich mir, dass ich nicht so denken darf, dass es meine bewusste und eigene Entscheidung gewesen war, dieses Jahr so zu erleben. Am liebsten wollte ich sofort zurück nach Hause. Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, schon genug erlebt zu haben. Und es kam mir noch so unfassbar lang vor hier zu sein. Doch es hörte nicht auf. Also beschloss ich alle Gedanken in mein Buch zu schreiben. Ich empfand es in diesem Moment so viel besser in Deutschland leben zu können und all meine Liebsten um mich zu haben. Ich dachte über all die Unterschiede nach, die ich schon in dieser kurzen Zeit festgestellt hatte. Die Menschen sind wahnsinnig freundlich und hilfsbereit hier, jedoch lässt sich hier auch einiges feststellen, was mich nicht gerade begeistert. All die alten Autos auf den kaputten Straßen, die Verbrennung von Holz auf den Grundstücken, die schlechte Dämmung der Häuser, die so viel Wärme verlieren, der hohe Fleischkonsum und Plastikverbrauch - all diese Dinge stehen nicht gerade für ein Umweltbewusstsein. Außerdem kam ich mir nutzlos vor in der Schule. All die Arbeiten, die ich machte, könnten doch auch anders organisiert werden. 

Dies schrieb ich auf. Ich war traurig und dachte aber auch daran, dass es zu Hause jetzt auch nicht besser wäre. Denn wäre ich zu Hause, müsste ich mich für eine Ausbildung oder einen Studiengang entscheiden und dafür war ich einfach noch nicht bereit.

Sonntagnachmittag ging es mir gesundheitlich noch nicht viel besser, doch ich las mir noch einmal den Vertrag mit den Freunden der Erziehungskunst durch. Und endlich wusste ich wieder, warum ich das ganze hier tat. Ich bin für die Völkerverständigung hier und mache einen Friedensdienst. Außerdem trage ich zum Kulturaustausch bei und lerne viel Neues hier - was ich schon jetzt bestätigen kann. 

Mit dem Umzug in die neue Familie am Montag, den 04. September, wandelte sich wieder alles zum Guten. Die Familie ist so herzlich, dass es mich einfach glücklich macht, hier zu sein. Es sind zwei Jungs: Alejandro, der in die 1. Klasse geht und sein kleiner Bruder (dessen Namen ich mir absolut nicht merken kann, weil er so außergewöhnlich ist), der erst zwei Monate alt ist. Ich fühlte mich von Anfang an wohl hier, was vielleicht auch ein bisschen daran liegt, dass es hier im Haus deutlich wärmer ist und auch, dass es scheinbar eine etwas reichere Familie ist. Das bemerkte man schon am Auto, das zur Abwechslung mal keine Schrottkiste ist und auch am Essen. Es gibt jeden Tag mindestens einmal Fleisch. 

All die traurigen Gedanken waren wie weggeblasen. Ich verstand langsam, dass es sehr wichtig war für mich auch einmal so schlecht zu denken, denn genau das war eine Erfahrung, die ich nun sehr schätze. Ich beginne langsam zu erfahren, was es wirklich bedeutet, in Deutschland leben zu dürfen. Ich konnte mir immer schon gut vorstellen, wie das Leben in anderen Ländern ist, wenn man weniger besitzt und andere Voraussetzungen hat, doch es am eigenen Körper zu erfahren, ist etwas ganz anderes. Das weiß ich jetzt. Und ich bin noch ganz am Anfang, doch ich glaube, dass ich jedes Mal etwas besser damit umgehen kann, wenn mich wieder so eine negative Gedankenflut überkommt. Ich denke es gehört dazu. Jetzt erstmal genieße ich die zwei Wochen in dieser Familie, um dann mit neuen Kräften wieder umzuziehen - das werde ich das ganze Jahr so machen. Ich werde aber schauen, dass ich auch mal etwas länger als zwei oder drei Wochen, bei einer Familie bleiben kann. 

So langsam beginnt es hier Frühling zu werden. Es scheint fast jeden Tag die Sonne und es gefällt mir, diese wunderschönen Berge zu betrachten, die mit all dem Schnee bedeckt sind und daran zu denken, dass ich schon bald, wenn dort oben weniger Schnee liegen wird, auch dort oben sein werde. Außerdem habe ich diese Woche Claudia kennengelernt. Sie ist meine Betreuerin hier vor Ort, war jedoch die letzten fünf Wochen in Deutschland, weil sie dort Familie hat. Sie kommt ursprünglich aus Deutschland, so dass ich mich mit ihr auf deutsch unterhalten kann. Sie ist super nett und ich habe jetzt das Gefühl, dass ich noch besser aufgehoben bin.

Was aus der Mandelentzündung geworden ist?

Ich habe Loana, der Sekretärin, die übrigens auch ein wenig deutsch spricht, am Montag direkt davon berichtet. Noch am gleichen Tag sind wir zusammen zum Bioladen gegangen und haben Propolispastillen, Propolistropfen und "Jarabe de Saúco" dort gekauft. Letzteres ist ein Gemisch aus Holundersaft, Arnica, Eukalyptus und weiteren Zutaten. Es hat wahre Wunder gewirkt. Am Anfang war ich etwas skeptisch, ob all diese Dinge wirklich helfen, weil ich bei meiner letzten Mandelentzündung in Deutschland direkt Antibiotika bekommen hatte, doch schon am zweiten Tag der Einnahme, waren die Halsschmerzen weg und nach weiteren vier Tagen die Entzündung an den Mandeln abgeklungen. Ich bin immer noch begeistert davon, weil ich es geschafft habe, ohne Antibiotika diese Entzündung zu bekämpfen. 

Die Arbeit in der Schule wird immer besser und auch das Verstehen der spanischen Sprache wird leichter. Allerdings muss ich wirklich noch viel dazulernen, um sicherer darin zu werden. Ich freue mich hier schon sehr auf den Sommer. Laut dem Mann von Claudia, Klaus, soll dieser sehr lang und warm sein. 

Euch wünsche ich bis zum nächsten Eintrag wunderschöne Tage und genießt die letzten warmen Sonnenstrahlen!

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