Schulanfang, zwei neue Gastfamilien und eine prägende Erfahrung

Dienstag, 13. März bis Freitag, 23. März 2018


Dienstag begann die Schule wieder. Die Einschulung der ersten Klasse war anders, als ich sie in Deutschland kennengelernt hatte. Wir standen wie gewohnt in unserer Morgenrunde. Diesmal stand fast die ganze Schule zusammen. Die Klassenlehrerin Carolina rief einen Namen und wir sangen ein Lied, in dem der neue Name vorkam. Das Kind ging dann mit oder ohne Eltern zu der neuen Lehrerin. Die Prozedur wurde zehn mal wiederholt, dann standen alle Kinder zusammen und gingen in ihren Klassenraum. 

Außerdem sangen wir ein neues Lied, das ab jetzt jeden Morgen in der Runde gesungen werden würde. Ich finde das alte allerdings irgendwie schöner. 

Nach der Schule zog ich zu Marta und Billy. Die beiden sind Spanier und man merkt es ihnen sofort an. Im spanischen und im amerikanischen Castillano, was hier gesprochen wird, werden teilweise unterschiedliche Worte für eine Sache verwendet. Marta und Billy sagen zum Auto immer ”coche“. Das Wort benutzt man in Spanien. Hier sagt man einfach ”auto“, wie bei uns auch. 

Bei Billy und Marta ging es mir sehr gut. Sie hatten drei kleine Hundewelpen, ich kochte für die Familie und unterhielt mich mit ihnen.

Ich wohnte dort bis zum 19.03.18 und zog dann in eine ganz neue Familie.


Am Wochenende war ich in Esquel gewesen, doch dazu mehr in einem nächsten Blogeintrag.


Montagmorgen hatte ich etwas Schnupfen und generell hatte ich an diesem Tag nicht so richtig das Gefühl irgendetwas geschafft zu haben. Ich zog zu Zoe und ihrem Sohn Gael (gesprochen: Hael). Ich wusste von Marta, dass diese Familie erst diesen Sommer ihr Haus errichtet hatte und noch keinen Wasseranschluss besaß. Ich hoffte aber, dass wenigstens das Haus einigermaßen bewohnbar war. 

Voller Freude zeigte mir Zoe ihr ”casita“ (Häuschen). Ich merkte, dass sie sehr stolz darauf war, ich allerdings konnte ihre Freude nicht so ganz teilen. Vor mir stand eine Hütte, deren Fenster mit Plastikfolien zugetackert waren. Die Hütte war aus Holz, Lehm und Stroh gebaut. Zoe zeigte mir meine Matratze, die direkt unter einem der Plastikfenster lag. Von drinnen konnte man auf den Berg Piltriquitrón schauen. Nachbarn waren erst weiter weg zu erkennen. Das Häuschen lag mitten auf einer Lichtung im Wald. Zoe zeigte mir einen aufgestellten Pool, in dem das Wasser war, was sie zum Abwaschen und kochen nutzte. In einer Flasche gab es Trinkwasser. Außerdem gab es einen kleinen Ofen, der aussah, wie eine große Konservendose mit Rohr. Der Strom wurde einmal am Tag von einem Generator erzeugt. Einen Kühlschrank gab es nicht. Auch gab es kein Bad. Das Bad war der Wald. Es war also ein sehr einfaches Leben, das hier geführt wurde. Mein erster Gedanke war: Hier bleibe ich maximal fünf Tage. Es waren schlussendlich die lehrreichsten fünf Tage, die ich bisher hier erlebt hatte. 


Zu Anfang sah ich den Wohnumstand sehr negativ. Ich verstand nicht, warum ich in ein Haus geschickt wurde, das vom Komfort her schlechter als die Schule war. Wieso konnte ich dann nicht einfach in der Schule wohnen? Dort gab es wenigstens Wasser und ein Klo. Für mich hat Hygiene einen hohen Stellenwert und ohne Wasser, finde ich es super schwierig. Klar, ich bin freiwillig fünf Tage in den Bergen Zelten gegangen, da gab es auch kein Klo, aber meiner Meinung nach, ist es etwas anderes, ob man ein Abenteuer freiwillig macht oder ob man es eher unfreiwillig macht und auch noch arbeiten soll. 

Etwas später gingen wir zum Nachbarhaus, indem die Schwester von Zoe mit ihren zwei Töchtern Luna und Sol wohnt. Die beiden mischten Lehm mit Stroh und Wasser. Das Gemisch sollte später auf die Hauswand aufgetragen werden und als Dämmung fungieren. Das Häuschen war noch viel kleiner und spärlicher eingerichtet. 

Ich schrieb meinen Eindruck auch so ähnlich in die Familiengruppe, doch ich bekam andere Antworten, als ich mir erhofft hatte. Eine kam von Thomas, Mamas Freund. Er fragte mich, wie denn die Stimmung sei und ich musste zugeben, dass Zoe und Gael sehr gut gelaunte Menschen sind. Sie versuchen das Beste aus der Situation zu machen, sie selbst müssen ja schließlich auf einen viel längeren Zeitraum mit dieser Wohnsituation klarkommen. Dienstag erzählte ich Marta davon. Ich sagte ihr, dass ich die Situation ohne Wasser nicht besonders gut finde, aber dass ich Zoe sehr gerne mag. Mittwochnachmittag wusch ich mir in der Schule genervt die Haare. Danach wollten mich Zoe und Gael abholen. Ich hatte nicht genau verstanden, was der Plan war. Erst gingen wir etwas im Kiosk einkaufen, dann versuchte Zoe zu trampen. Als dies nicht klappte gingen wir an der Straße entlang. Ich war ehrlich gesagt schon ziemlich genervt, denn schließlich hätte ich auch einfach mit dem Bus zurückfahren können. Dann bogen wir nach rechts ab und trampten. Diesmal klappte es. Drei Männer nahmen uns mit und ich fühlte mich nicht richtig wohl. Kurz darauf stiegen wir jedoch schon wieder aus und gingen in ein Haus. Niemand war da, aber Zoe kannte sich aus. Sie bot mir das Badezimmer an und ich duschte. Ich wusste nicht, wer hier wohnte und fand es etwas merkwürdig. Überall standen leere Fläschchen herum, die aussahen, als könnte man Medizin hinein füllen. Gael schaute einen Film und ich ging an einen kleinen Tisch am Fenster, um das Erlebte aufzuschreiben. Ich war irgendwie ziemlich durcheinander und hatte das Bedürfnis meine Gedanken zu sortieren.

Wenig später betrat ein großer Junge das Haus. Es stellte sich heraus, dass eben jener auch der Sohn von Zoe war. Kurz darauf betrat eine ältere Frau das Haus. Sie war die Mutter von Zoe und plapperte fröhlich ein paar italienische Zahlen, die sie wohl gerade erst gelernt hatte. Als sie herausfand, dass ich aus Deutschland komme, sagte sie auf Deutsch ein paar Wörter, die ihr vor längerer Zeit mal jemand beigebracht hatte. Es wurde ganz lustig und gespannt lauschte ich den Gesprächen. Eine Weile später betrat auch die Schwester von Zoe das Haus und die drei Frauen unterhielten sich über die Naturkosmetik, die sie selbst herstellten und auf der Feria verkauften. Interessiert blätterte ich ein Buch durch, indem Rezepte der Naturkosmetik festgehalten waren. 

Wir aßen Alfajores, eine Spezialität Argentiniens, die aus zwei Teigwaffeln, Dulce de Leche und einem Schokoladenüberzug besteht. Am Abend fuhren wir dann mit dem Taxi zurück zum Haus von Zoe. Sie übergab Gael seinem Vater und zu zweit machten wir uns durch den Regen in der Dunkelheit zum Haus. Beim Abendessen kamen wir im Gespräch auf das Thema Wasser. Marta hatte Zoe erzählt, was ich Marta erzählt hatte. Sie sagte, dass viele ihrer Freunde in der gleichen Situation seien wie sie. Das sie alle keinen Anschluss zum Trinkwasser hatten. Ich versuchte ihr meinerseits zu erklären, dass es für mich eine ganz neue Situation ist, dass Wasser in Deutschland etwas ist, über das kaum einer nachdenkt. Wasser ist in Deutschland selbstverständlich. Es ist selbstverständlich, dass man nur einen Hahn aufdrehen muss, damit man sich duschen kann, Essen kochen kann, etwas trinken kann, damit eine Toilette funktioniert. Klar war mir das auch schon vorher bewusst, doch es wirklich zu erleben, war etwas Neues. Ich stellte fest, wie verwöhnt ich eigentlich war, obwohl ich immer dachte, dass ich mit solchen Situationen überhaupt kein Problem habe. 

Den Donnerstag dachte ich wahnsinnig viel nach und schrieb auch mit einem ehemaligen Klassenkameraden über das Thema. 

Ich kam relativ spät zu Zoe, da noch die Lehrerkonferenz gewesen war. Zoes Schwester war auch da. Die Kinder waren bei ihren Vätern. Irgendwie kamen wir auf das Thema deutsche Wörter. Zoe und ihre Schwester lachten sich kaputt darüber, wenn sie versuchten etwas nachzusprechen. Zoe versuchte einen deutschen Text zu lesen und auch ich musste viel lachen, weil es sich einfach richtig lustig anhörte. Die beiden fingen an zu scherzen und sagten, wenn ich in zehn Jahren wiederkommen sollte, dann hätten ihre Häuschen nicht nur einen Wasseranschluss, sondern auch einen großen Pool und eine Tiefgarage :)

Wir aßen selbst gemachtes Chapati, eine Spezialität aus El Bolsón und der Umgebung. Es war eine Art Fladenbrot, das Zoe in der Pfanne gebraten hatte, weil der Ofen nicht so gut funktionierte. Es schmeckte richtig lecker!


Am Freitag zog ich für das Wochenende in die Schule. Ich genoss die Tage allein und fand viel Zeit über alles nachzudenken. 

Die größte Lehre dieser fünf Tage war, wie wertvoll Wasser ist. Trinkbares Wasser und warmes Wasser aus der Leitung. Es ist ein absoluter Luxus, den wir viel mehr wertschätzen sollten...


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