Eine neue Gastfamilie und ein großer Ausflug

Am Montag, den 09. Oktober zog ich zu Camila und ihrer Familie. Camila ist die Kunst- und Handarbeitslehrerin in der Schule. Ihre beiden Söhne heißen Ananda und Arann. Ananda geht in den Kindergarten und Arann in die zweite Klasse. Der Mann von Camila heißt Hugo und ist, wie ich bisher zweifelsohne feststellen konnte, ein begnadeter Musiker. Er ist Gitarren- und Akkordeonlehrer und spielt den ganzen Tag, wenn er gerade nicht arbeitet, Harfe, Flöte, Dudelsack und ein gitarrenähnliches Instrument. Wenn er kein Instrument spielt, dann singt er. All das bis spät in die Nacht. Seine Melodien hören sich sehr schön an und es wirkt irgendwie entspannend, so lange sich nicht gerade die beiden Jungs hauen und lautstark durch das Haus rennen und Türen zuschlagen. Hugo selbst ist ein sehr verträumter, ja fast ein bisschen dödeliger Mann, der meist nicht wirklich mitbekommt, was um ihn herum geschieht. Manchmal wird es dann auch Camila zu viel und sie besteht darauf, dass er ihr in die Augen sieht. Camila ist das genaue Gegenteil von ihrem Mann. Sie schwirrt ununterbrochen durch das Haus und tut alles mögliche an Hausarbeiten. Da mein Bett auch das Sofa tagsüber ist, ist es schwer nichts mitzubekommen. Es gab schon Abende, wo Camila abends um 22:30 Uhr anfing den ganzen Boden erst zu fegen und dann mit einem Mittel zu wischen. An anderen Abenden wurde zu dieser späten Stunde auch öfter noch gebacken oder Popkorn gemacht. Die Mann-Frau-Arbeitsteilung ist wirklich sehr typisch. Camila macht alles im Haushalt und Hugo gibt seine Energie der Musik. Nun ja.

Hier bei Camila habe ich das erste Mal einen provisorischen Schrank. Es sind drei Kisten übereinander gestapelt, wo ich meine Dinge hinein tun kann. Das finde ich super. Bisher habe ich nur aus meinem Wanderrucksack gelebt, wo ich die Dinge hineingetan habe, die ich für zwei Wochen benötige. Meinen großen Koffer habe ich im Sekretariat der Schule untergebracht und tausche gelegentlich mal Dinge aus, so wie letztens meine dicken Wanderschuhe gegen normale Winterschuhe. Ich finde diese Lösung eigentlich recht praktisch und man lernt mit noch weniger auszukommen. Wenn ich überlege, was ich normalerweise für zwei Wochen Urlaub einpacke, dann übertrifft dies deutlich das, was ich jetzt nur noch brauche. 


Aber zurück zu meiner neuen Gastfamilie.


Die beiden Jungs sind sehr energievoll und nutzen jede Gelegenheit sich gegenseitig zu nerven oder zu ärgern. Außer sie spielen draußen. 


Mir ist allgemein aufgefallen, dass es draußen deutlich weniger Streitereien und weniger ein sich-gegen-Regeln-auflehnen bei Kindern gibt, auch im Kindergarten, als in einem Raum. Es kann vielleicht auch daran liegen, dass es drinnen mehr materielle Spielzeuge gibt, wie Lego, Puppen, Holzklötze etc. und draußen nur mit dem gespielt wird, was die Natur bietet und einige wenige zusätzliche Dinge, wie Schaufeln, Bälle oder die Schaukel.


Ich verstehe mich mit den beiden sehr gut und ich habe schon von ihnen gesagt bekommen, dass sie es sehr gerne haben, wenn ich hier lebe. Das freut mich natürlich ganz besonders.


Das Haus befindet sich im Nachbarort Lago Puelo mit dem gleichnamigen See, zu dem ich später mehr erzählen werde. Es ist noch nicht fertiggestellt aber durchaus bewohnbar. Was ich öfter hier sehe, und auch hier im Haus, ist, dass zwischen die Steine im Mörtel Stroh eingearbeitet wird. Ich finde das fast ein bisschen Mittelalterlich ;-). Aber es tut wahrscheinlich seinen Zweck und dämmt etwas. 

Es gibt auch eine Katze hier. Die ist lustig - legt sich einfach dort hin wo sie gerade steht. Mitten auf den Boden oder noch weniger gemütliche Plätze. Ist etwas untypisch für eine Katze...


Schon vor Wochen angekündigt und zweimal verschoben wegen des Regens, fand am Freitag, dem 13. Oktober ein großer Ausflug mit der ganzen Schule statt. 

Wir alle, wirklich alle - Eltern, Kinder, Lehrer, kleinere Geschwister und ich einzige Freiwillige :) - trafen sich um 9:30 Uhr morgens mit Fahrrad und Fahrradhelm gegenüber an der Tankstelle in Lago Puelo. 

Gemeinsam fuhren wir dann an den See. Wow war das schön. Es war ein toller Tag - blauer Himmel, Sonne, viele Fahrradfahrer und ein wahnsinnig tolles Andenpanorama, auf das wir geradewegs zu radelten. Ich war echt gerührt bei dem Anblick.

Nach einer halben Stunde kamen wir am See an. Wir trafen uns in einem großen Kreis, sangen Lieder, dankten der Sonne, der Erde und dem Licht und ließen dann Früchte und andere Dinge zum Essen herumgehen. 

Dann unternahmen die einzelnen Klassen mit ihren Lehrern seperat etwas. Ich schloss mich der Kindergartengruppe an. Wir gingen zuerst hinunter ans Wasser. Dort sammelte jedes Kind zwei Stöckchen und wir Erwachsenen banden sie zu einem Kreuz zusammen, so dass ein Schwert entstand. 

Nach dem wir anschließend ein Lied gesungen hatten, gingen wir in einen kleinen Wald. Der Weg bestand fast nur aus einem Steg, der über den mit Wasser bedeckten Boden führte. Die Bäume, die sehr verwunschen aussahen, wurden von der Sonne in ein goldenes Licht getaucht. 

Danach schrieben wir in der kleinen Runde jeder einen Begriff auf, mit dem wir den Frühling in Verbindung brachten. Ich wählte den Begriff "alegría" (Freude). 

Weiter ging es wieder in einer großen Runde. Einige Eltern begannen nun auf Trommeln, Gitarren und weiteren Instrumenten Melodien anklingen, die sich ein bisschen anhörten, als wollten sie den Frühling heraufbeschwören. Ein bisschen sah es auch so aus - wie ein alter Brauch, der eine alte Tradition hat. Es machten fast alle mit. Sie klatschten, tanzten den Rhythmus, sangen und hoben die Hände zum Himmel. Ich machte einfach mit. Manche kleine Kinder liefen in den Kreis und tanzten für sich ausgelassen. Es war etwas besonderes. 


Weiter ging es mit einem Volkstanz. Zwei Kreise wurden gebildet, an die Hände der Nachbarn gefasst, gestampft, gedreht und geklatscht. Das machte wirklich Spaß. Zum Ende hin wurde die Schnelligkeit erhöht.


Den Abschluss bildete ein gemeinsames Mittagessen. Jede Familie hatte etwas zu essen mitgebracht. Es gab alles, was man sich nur wünschen konnte. Auch wurde gegrillt. Zum Essen, setzten wir uns alle einfach in die Sonne auf eine schöne Wiese. Es war sehr warm und man konnte einfach nur genießen. Das Essen, die Sonne, die Ausgelassenheit, die Gespräche und das Zufrieden- und Glücklichsein in diesem Moment.


Am Abend, des gleichen Tages, ging ich mit meiner Gastfamilie zu einem "concertó antigua" in der Nachbarschule der Waldorfschule. Dort wurde mit Saiteninstrumenten und Flöten, Musik der Renaissance und des Barocks gespielt. Es war ein sehr netter Abend.

Zusätzlich wurden rekonstruierte mittelalterliche Instrumente ausgestellt. Der Raum war ebenfalls mittelalterlich geschmückt und es war fast wie eine Zeitreise. Nur das Essen war typisch argentinisch. :-)


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