Eine etwas andere Woche

Samstagmorgen, es ist der 28. Oktober 2017, ein wolkenverhangener Tag, mit ein wenig Sonne am Vormittag, treffe ich mich mit Helene in El Bolsón an der Busstation des Busunternehmens ViaBariloche. Zusammen setzen wir uns ins “Jauja“ und nehmen ein zweites Frühstück ein. Wir nutzen das WLAN und stöbern durchs Internet. Wir schauen nach einer Busverbindung, da wir für ein verlängertes Wochenende im November uns eine Reise nach Villa La Angostura vorgenommen haben. Wir wollen dort fünf Freiwillige besuchen, die wir vom Vorbereitungsseminar kennen und freuen uns schon jetzt auf das Wiedersehen!

Nachdem wir im Bioladen ”Verde Menta“ waren, schauten wir uns ein paar Boutiquen an, in denen schöne Kleidung angeboten wurde. Wir kauften aber nichts. Stattdessen gingen wir zur ”Feria“, dem Kunsthandwerkermarkt. Wir bestaunten ein paar Schmuckstände, bis wir an einen Stand kamen, an dem uns die Steine und der Schmuck so gut gefielen, dass wir einfach etwas kaufen mussten. Ich kaufte ein Paar Ohrringe aus Mondstein, der in Silber eingefasst war. Helene kaufte sich ebenfalls Ohrringe und eine hübsche Kette aus einem Stein, der rot-weiß gemasert war und der wohl nur hier in Südamerika vorkommt. Der Händler erklärte uns, dass er den Stein extra mit kaltem Wasser schleift, damit er diesen schönen Glanz erhält. 

Etwas später fuhren wir mit dem Bus ”La Golondrina“ zu meiner Schule, um sie Helene zu zeigen. Das war irgendwie ein schönes Gefühl, wie ich fand. 

In Lago Puelo gingen wir nochmal in ein Café, um uns vom Regen und der Kälte wieder aufzuwärmen. 

Am Abend nahm uns meine Gastfamilie mit zu einem Konzert, das von meinem Gastvater Hugo und einem zweiten Mann gegeben wurde. Das Haus, in dem es stattfand, wirkte wie ein Hobbit-Haus. Rund und lauter Dinge, wie runde Fenster, ein Sechsstern aus Glas im Dach, bunte Flaschen die in die Wand eingebaut waren, und wie Kirchenfenster wirkten, eine Eierkarton-Lampe und vieles mehr. 

Das Konzert war sehr schön. Irgendwie sehr harmonisch. Es kamen Instrumente zum Einsatz, wie eine Harfe, ein Dudelsack, eine Flöte und eine Akustikgitarre. Helene und ich waren beide irgendwie recht müde und freuten uns schon, auf unser Bett. Doch daraus wurde so schnell nichts, da die anderen noch ein Bier trinken gehen wollten. Uns blieb nichts anderes übrig, als mitzukommen - andernfalls hätten wir im Regen und in der Dunkelheit zu Fuß nach Hause gehen müssen. 

Ich trank zum ersten Mal in meinem Leben Schwarzbier und ehrlicherweise überzeugte es mich nicht wirklich.


Am nächsten Morgen frühstückten Helene und ich Müsli ohne Milch... Nun ja, das war auch mal okay... ;)

Später kaufte sich Helene ihr Rückfahrticket und weil das Wetter so schlecht war, beschlossen wir wieder zu Camila zu gehen. Wir tranken Chai und lasen uns aus einem patagonischen Buch auf Spanisch kleine Geschichten vor. Die Geschichten waren aber nichts so wirklich schön. 

Am Abend verabschiedeten wir uns und jeder startete in seine neue Woche...


Die Woche fing ganz gut an. Ich ging zur Schule und war ganz froh, dass ich heute noch in ein Hostel ziehen würde. Endlich ein bisschen ruhiger und keine kleinen Kinder um einen herum. Es ist echt erstaunlich, wie anstrengend das sein kann. 

Nach der Schule schaute ich, wo Valeria blieb, die mich eigentlich zum Hostel bringen sollte. Valeria ist meine neue Gastmutter und sie hat ein Kind im Kindergarten - die kleine Enya. Es stellte sich heraus, dass sie mich schlicht und einfach vergessen hatte. Nun gut, da konnte man jetzt auch nichts mehr dran ändern. 

Eine andere Schulfamilie nahm mich mit nach El Bolsón, wo ich dann bei der Touristeninformation auf Valerias Mann wartete. Als er kam, war ich mir erst gar nicht sicher, ob es auch wirklich ihr Mann war. Aber er kannte meinen Namen und nahm mir direkt meinen Rucksack ab. Das Misstrauen war schnell wieder verflogen und wenig später kam ich beim schönsten Hostel an, das ich je zuvor gesehen hatte. 

Ich zog in ein Dreibettzimmer ein, in dem schon eine Französin wohnte. 

Ich hatte einen hübschen Ausblick ins Grüne und fühlte mich sofort sehr wohl.

Am Dienstag nahm mich Valeria mit ins Zentrum, damit ich mich ein wenig mit Obst und Gemüse ausstatten konnte. Im Hostel bekommt man zwar Frühstück, aber alles weitere, muss man hier selber kochen.

Da ich nach meinem Einkauf noch eine Stunde Zeit hatte, bis ich wieder abgeholt wurde, setzte ich mich ins Café. 

Als ich nach kurzer Zeit aus dem Fenster blickte, traute ich meinen Augen kaum. Da stand doch tatsächlich Frau Schulze mit ihrem Mann! Frau Schulze war meine Mathematiklehrerin im Abitur gewesen und ich wusste, dass sie Ende des Jahres nach Argentinien reisen würde, aber ich hatte gedacht, dass sie erst im Dezember hier sein würde.

Als ich die beiden nun da draußen so sah, hoffte ich, dass sie von selbst das Café betreten würden - und tatsächlich, sie gingen geradewegs auf mich zu. Ich winkte Ihnen und dann lagen wir uns in den Armen. Es tat so gut, wieder ein bekanntes Gesicht aus Deutschland zu sehen, das könnt ihr euch nicht vorstellen! Die nächste Stunde unterhielten wir uns angeregt. Sie von ihrer Reise durch Chile und Argentinien und dem Vorhaben weit runter in den Süden zu fahren und ich von all den Erfahrungen, die ich hier in den letzten zweieinhalb Monaten gesammelt hatte. 

Dann musste ich leider los. So gerne wäre ich noch etwas länger geblieben, aber es ging nicht. Den ganzen Tag noch glühten meine Wangen und ich konnte es einfach nicht fassen, wie klein die Welt doch war, und wie groß der Zufall gewesen war, dass wir drei Deutsche uns ohne Absprache in einem riesen Land getroffen hatten.


Am nächsten morgen, es war Mittwoch, der 01. November, wartete ich vergeblich darauf, dass Valeria mich am Hostel abholte und wir zur Schule fahren würden. Nach einer halben Stunde hatte ich genug und fragte ihren Mann, ob Valeria noch kommen würde. Er schrieb ihr und eine Viertelstunde später kam er wieder zu mir und sagte, dass heute keine Schule sei. Der Grund hierfür war, dass der Gouverneur von Chubut am Abend zuvor verstorben war und nun ein Trauertag angesetzt worden war. Chubut ist die Provinz, in der die Waldorfschule liegt. 

Ich ärgerte mich erst ein wenig, dass ich so früh aufgestanden war und nun nicht wirklich was zu tun hatte, aber dann machte ich mir einfach einen richtig gemütlichen Tag. 

In mein Zimmer war zudem noch eine Deutsche eingezogen, die etwas älter als ich war und eine Reise durch Argentinien machte. Sie hieß Martha und ich unterhielt mich die nächsten Tage sehr viel mit ihr. Sie war auch Waldorfschülerin in Deutschland gewesen und war in der Nähe von Freiburg aufgewachsen. Sie hatte ihren Freiwilligendienst in Finnland gemacht - in der Nähe von Helsinki.

Donnerstag hatte ich wieder Schule. So richtig hatte ich nicht wirklich Lust, aber der Tag war sehr angenehm. 

Der Freitag fing dagegen sehr schlecht an. Am Morgen bekam ich von Helene die Nachricht, dass ihre Oma gestorben war. Das fand ich echt schlimm, weil es einfach so unfair ist, in solchen Momenten nicht zu Hause und bei der Familie sein zu können. 

Die zweite schlechte Nachricht kam von Andreas, der hier für all die Freiwilligen in Argentinien ein wichtiger Ansprechpartner ist, die das Verfahren der Visumsverlängerung beinhaltete. Laut der Mail, würde ich genau dann meinen Reisepass bei der Botschaft in Buenos Aires abgeben müssen, wo ich mit meinem Vater eine Reise im Süden Argentiniens geplant hatte. Ohne Reisepass ist jedoch jegliches Reisen nicht möglich.

Das machte mich irgendwie sehr wütend. Dass irgendwelche Auflagen einen so einschränken können...

Nachmittags musste ich im Hostel mein Zimmer wechseln. Ich zog in ein Fünfbettzimmer mit Bad, das ich ganz für mich alleine hatte. Auch nicht schlecht. 

Im Hostel habe ich inzwischen vor allem Menschen aus Frankreich kennengelernt, aber auch aus den Niederlanden, Deutschland, den USA und Kanada. Das finde ich so cool. Man spricht dadurch allerdings wieder mehr Englisch. Genau beim Englischsprechen ist mir aufgefallen, wie sehr ich schon im spanischen drin bin. Immer wieder rutschen mir spanische Worte in meinen englischen Satz. Das finde ich doch irgendwie bemerkenswert. 

Helene und ich haben uns Samstagmorgen wieder in El Bolsón getroffen. Im ”Jauja“ tranken und aßen wir etwas und nach einem Einkauf machten wir uns auf den Weg zum Hostel. Zu Fuß ist das genau eine Stunde. 

Nachmittags fuhren wir zur Schule, da an diesem Tag „Tag der offenen Tür“ war. Wir hatten nicht so viel zu tun, aber es war doch ganz nett. Ein paar Eltern spielten ein kleines Konzert und all die Klassenzimmer waren schön hergerichtet und zeigten Dinge, die im Unterricht behandelt werden. 


Später im Hostel, bauten Helene und ich unser Zelt auf, da diese Nacht, das ganze Hostel ausgebucht war. 

Nach dem Abendessen, richtig deutsch - Bratkartoffeln mit Rührei und Salat - gingen wir hier in die Bar und tranken etwas. Es spielte eine richtig gute Band und es war einfach ein gelungener Abend, wie wir beide fanden. 


Als wir ins Zelt schlüpften, bemerkten wir, dass etwas Wasser vom Regen schon hineingelaufen war. Also holten wir uns Handtücher, die wir innen am Rand auslegten und brachten die Zeltaußenwand mit Stöckern, von der Zeltinnenwand weg. Das funktionierte sehr gut - es lief jedenfalls kein Wasser mehr ins Zelt.


Der Sonntag startete mit einem leckeren Frühstück im Hostel. Hier gibt es jeden Morgen frisch gebackenes Brot und dazu richtig gute Himbeermarmelade oder Dulce de Leche. 

Helene und ich beschlossen danach Franzbrötchen zu backen. Außerdem schrieben wir für unseren Zwischenbericht und den Blog. Dafür machten wir es uns im Zelt gemütlich. 


Am Nachmittag stellte sich heraus, dass ich noch eine Nacht im Zelt schlafen würde. Da es nun nicht mehr regnete und morgen Sonnenschein angekündigt ist, finde ich es okay :) 


Helene nahm am Abend den Bus zurück nach Esquel und ich machte es mir am Feuer gemütlich :)

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